100 Prozent Holz

Hohensinn Architektur und balloon architekten
7. Januar 2022
Ausblick auf den Grünraum des Teilquartiers Q7–Q2A (Foto: pierer.net)
Herr Boiger, Herr Gratl, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Karlheinz Boiger (Hohensinn Architektur): Bisher wurden selbst im Holzbau die Stiegenhäuser meistens aus brandschutztechnischen Gründen weiterhin in Stahlbeton ausgeführt. Diesmal fragten wir uns, können wir daran nicht etwas verändern? Und das konnten wir! Dabei haben wir nicht nur den gestalterischen Aspekt bedacht, sondern auch das Setzungs- und Brandschutzthema gelöst.
Die dreigeschossigen Bauten sind in Holzriegelbauweise mit tragenden Brettsperrholz-Innenwänden und -decken geplant und errichtet. Die vier- bis sechsgeschossigen Häuser sind komplett in Brettsperrholz (CLT) ausgeführt. Die Gebäude des Teilquartiers Q7–Q2A weisen auch einen beinahe komplett hölzernen Stiegenkern auf. Die Wände des gesamten Hauses, auch jene des Stiegenhauses des 6-geschossigen Gebäudes und der Aufzugsschächte, sind komplett in Brettsperrholz gefertigt.

Andreas Gratl (balloon architekten): Das Besondere an dieser Bauaufgabe war, dass das Quartier 7 das erste Realisierungsprojekt von insgesamt 19 Quartieren im Rahmen des Entwicklungsplanes Graz-Reininghaus war. Der Masterplan Reininghaus ist derzeit das größte städtebauliche Entwicklungsprojekt der Stadt Graz, das zukünftig bis zu 15000 Menschen Wohn- und Arbeitsraum geben wird.

Blick nach Westen mit Bauten des Teilquartiers Q7–Q2A (Foto: pierer.net)
Blick vom Kinderspielplatz im Teilquartier Q7–Q2B in Richtung Nordwesten (Foto: pierer.net)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


AG: Der Grundgedanke des Projekts liegt in der Schaffung von hochwertigen Wohnqualitäten in einer autofreien Parklandschaft. Dabei spielten der menschliche Maßstab, die städtebauliche Körnung sowie die Ausformulierung der Schwellenräume von öffentlich zu privat eine besondere Rolle. 

Die Stiegenhäuser der Bauten des Teilquartiers Q7–Q2A sind in Brettsperrholz ausgeführt. (Foto: pierer.net)
Foto: pierer.net
Eines der hölzernen Stiegenhäuser wird montiert. (Foto: pierer.net)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


AG: Eigentlich gar nicht. Ausgangslage waren nämlich 30000 Quadratmeter Ackerfläche und ein sehr heterogenes städtebauliches Umfeld. 
Die finalen Qualitäten von Quartier 7 mussten aus sich selbst heraus entwickelt werden. Dies ist durch die Schaffung von zwei großen Grünachsen in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung sowie durch die Unterteilung in vier Unterquartiere mit Höfen gelungen.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


AG: Beim Quartier 7 handelt es sich um einen geförderten Wohnbau einer gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaft. Die Vorgaben betreffend Anzahl und Wohnungsschlüssel, Raumprogramm und Größe der Wohnungen sowie die Ausführung in Holzbauweise waren in der Wettbewerbsausschreibung bereits formuliert. 

Abendstimmung im Hof von Teilquartier Q7–Q2B (Foto: pierer.net)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?


AG: Das Projekt Reininghaus Q7 ist für mein Büro balloon architekten eine schlüssige Weiterentwicklung von vorangegangenen Wohnbauprojekten in Holzbauweise. Neu war die Errichtung von 6-geschossigen Wohntürmen in Holz und die konsequente Ausführung von hinterlüfteten Holzfassaden. Insofern stellt dieses Projekt einen Meilenstein für uns dar.

Fassade des Wohnturms im Teilquartier Q7–Q2B (Foto: pierer.net)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


KB: Gerade durch die aktuelle Diskussion um den Klimawandel und die Erreichung der Klimaziele wird in Zukunft der Baustoff Holz weiter an Bedeutung gewinnen. Die spezifischen Eigenschaften des Materials sprechen für sich: Der Naturstoff ist nachwachsend, leicht recycel- und wiederverwendbar, hat besonders gute raumklimatische Eigenschaften und ist durch den hohen Vorfertigungsgrad in der Bauzeit schneller, was Ressourcen schont und auch ökonomisch Vorteile bringt. Nicht zuletzt bindet der Baustoff durch das Nachwachsen als Baum CO2 aus der Atmosphäre. Das gilt für kein anderes Material.

Teilquartier Q7–Q1A (Foto: pierer.net)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


KB: Zum Erfolg hat eindeutig die Weiterentwicklung in den Stiegenhäusern beigetragen, in denen Holz auch an den Oberflächen sichtbar gemacht werden konnte.

Bauwerk
Quartier 7 – Graz-Reininghaus
 
Standort
Maria Pachleitnerstraße, 8053 Graz
 
Nutzung
Wohnbau
 
Auftragsart
Planungsauftrag / Architektenleistungen  
 
Bauherrschaft
ENW Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft m.b.H., Graz
 
Architektur
Masterplan und Teilquartiere Q1A, Q1B, Q2B: balloon architekten ZT-OG, Graz
DI Ana Masu (WB), DI Dominik Weißenegger, DI Benjamin Melcher, DI Johanna Kampits (PL), DI Lisa Odert, DI Peter Harrich und DI Thomas Kain
 
Teilquartier Q2A: Hohensinn Architektur ZT GmbH, Graz
DI Branko Savatović (PL), DI Patrick Fanta und DI Sarina Abraham
 
Fachplaner
Statik und Brandschutz: Wörle Sparowitz Ingenieure Ziviltechniker GmbH, Graz Brandschutz Consulting Q7–Q2A: Norbert Rabl ZT GmbH, Graz
Bauphysik: Rosenfelder & Höfler Consulting Engineers GmbH & Co KG, Graz
Landschaftsarchitektur: Winkler Landschaftsarchitektur, Seeboden
HKLS-Planer: TBH Ingenieure GmbH, Pirka, und TB - Beirbauer GmbH, Passail
E-Planer: IB Stengg GmbH, Knittelfeld
 
Bauleitung
ENW Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft m.b.H., Graz
Q7–Q1A und Q1B: DI David Liebethat
Q7–Q2B und Q2A: Ing. Robert Uitz
 
Jahr der Fertigstellung
2020
 
Maßgeblich beteiligte Unternehmer
Baumeister, Außenanlagen und Zimmerer: Strobl Bau - Holzbau GmbH, Weiz
Holz-Alu-Fenster: Tischlerei Petautschnig GmbH, Teufenbach
Schwarzdecker und Spengler: DFP Hammer GmbH, Graz
Trockenbau: Friedrich Kletzenbauer Trockenbau GmbH und Schreiner Trockenbau GmbH, beide Graz
 
Fotos
pierer.net

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