Alle Maschinen stopp!

Elias Baumgarten
22. März 2019
Auf dem Wiener Heumarkt-Areal soll ein Wohnhochhaus gebaut werden. Jetzt liegt das Projekt auf Eis. Bild: WertInvest © nightnurse images GmbH

Das Heumarkt-Areal liegt im Südosten der Wiener Altstadt. Die berühmte Ringstraße ist wenige hundert Meter entfernt. Der Projektentwickler WertInvest möchte das Gelände umgestalten. Ein Wohnturm, ein Hotel und eine Eislaufbahn sollen entstehen. Schon seit 2013 wird um das Projekt gerungen. Jetzt haben es Wiens Politiker*innen gestoppt. Die Bundesregierung hatte ihnen zuvor entschieden Druck gemacht. Innert einer Frist von zwei Jahren sollen die Pläne nun überdacht werden. Dann steht ein neuer Entscheid an. Eine Chronologie der bisherigen Ereignisse:

2013: Der Rahmenplan für die Neugestaltung des Heumarkt-Areals wird präsentiert. Er sieht einen Wohnturm vor, der 73 Meter hoch aufragen soll.
 
2014: Der brasilianische Architekt Isay Weinfeld gewinnt den zweistufigen geladenen Wettbewerb um die Gestaltung der Bauten. 
 
auch 2014: Eine Debatte um die Höhe des Turmes entbrennt. Die UNESCO fordert eine Überarbeitung. Sie droht, Wien ansonsten den Status einer Welterbestätte zu entziehen.
 
2016: Der Entwurf für einen nur noch 66 Meter hohen Turm wird präsentiert. Die WertInvest möchte, dass 2019 die Bagger anrollen.
 
2017: Der Wiener Gemeinderat widmet das Areal als Hochhaus-Standort um. Neu soll der Baubeginn 2021 erfolgen. Die UNESCO setzt die Stadt daraufhin auf ihre Rote Liste. 
 
2019: Eine Beobachterkommission der UNESCO und des ICOMOS legt einen 68 Seiten starken Untersuchungsbericht vor. Darin heißt es, es sei »unvertretbar«, dass Wien nach Verwirklichung der Baupläne länger Welterbestätte bleibe. Das Projekt wird deswegen von der Politik für eine »Nachdenkphase« von zwei Jahren gestoppt.
Neben dem Hochhaus sollen auch eine Eislaufbahn und ein Hotel gebaut werden. Bild: WertInvest © nightnures images GmbH
»Heute besteht die Gefahr, Stadtplanung in den Aufgabenbereich privater Investoren abzuschieben.«

Bernhard Sommer, Vizepräsident der Kammer der Architekten und Ziviltechniker für Wien, Niederösterreich und das Burgenland

Kritik

In den letzten Tagen meldeten sich viele Wiener Architekt*innen zu Wort. Sie kritisierten vor allem, dass die Rahmenbedingungen seitens der Politik schon vor dem Architekturwettbewerb gründlich hätten geklärt werden müssen. So sagte Erich Kern, Präsident der Kammer der Architekten und Ziviltechniker für Wien, Niederösterreich und das Burgenland, der Presse: »Wir kommentieren keine politischen Diskussionen. Aber es müssen klare Bedingungen vorliegen. An diesem Projekt sieht man, was es heißt, wenn die politischen Voraussetzungen unsicher sind.« Und in Bezug auf die mögliche Höhenentwicklung fuhr er fort: »Das ist eine politische Frage, deren Beantwortung nicht den Teilnehmern eines Architekturwettbewerbs überbunden werden darf.« 

Für seinen Vize, Bernhard Sommer, steht das Projekt stellvertretend für ein großes Grundsatzproblem in der Wiener Stadtplanung. Die Stadt überlasse die Initiative und die tatsächliche Planungshoheit viel zu sehr den Investoren, klagte er gegenüber der Zeitung Die Presse. Nur das Ziel der Wertsteigerung ihrer Grundstücke und Liegenschaften vor Augen, würden diese an geltenden Bestimmungen vorbeiplanen. Zur Unterstützung treibe die Politik dann für einzelne Projekte Widmungsänderungen voran. Darüber verliere sie die Entwicklung der ganzen Stadt aus den Augen. Sommer forderte, dass die Investoren künftig für jedes Projekt nachweisen müssen, inwiefern dieses der Öffentlichkeit einen Mehrwert gegenüber dem Erhalt des Status quo brächte.

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