Kinder toben in der einstigen Industriellenvilla – ein ungewöhnlicher Umbau erobert den Titel »Bau des Jahres«

Redaktion Austria-Architects
2. febrero 2023
Grafik: Austria-Architects, basierend auf Fotos von Tschinkersten

In unserer Rubrik »Bau der Woche« stellen wir regelmäßig neue Bauwerke von österreichischen Architekturschaffenden vor. Auch Arbeiten, die ausländische Kolleg*innen in Österreich verwirklicht haben, finden Beachtung. Immer im Jänner haben Sie die Möglichkeit, aus den im Vorjahr präsentierten Bauten Ihren Favoriten zu wählen – den »Bau des Jahres«.

Die Architekt*innen der zehn beliebtesten Bauwerke dürfen diese seit vorigem Jahr nach dem Vorbild unseres Schweizer Partnermagazins zusätzlich beim Kurzvortragsabend »Eure Besten« live präsentieren. 

Informationen zur heurigen Ausgabe folgen in Kürze.

»Es freut uns ganz besonders, dass ›KALO!‹ zum ›Bau des Jahres‹ gewählt wurde. Mit dem Umbau wurde ein leerstehendes Haus reaktiviert. Wir durften die Räume für ein Labor gestalten, in dem laufend neue pädagogische Ideen und kooperative Konzepte entwickelt werden. So entstand ein Spiel-, Lern- und Erlebnisort für die ganze Familie, insbesondere für Kinder. Ein privates Haus ist nun ein öffentlicher Raum, in dem Kinder spielen, lernen, aber vor allem Spaß haben können. Als Adaptive-Re-use-Projekt ist damit allen Beteiligten ein schönes Leuchtturmprojekt mit gesellschaftlichem Mehrwert gelungen!«

Florian Sammer, ASAP Hoog Pitro Sammer

Die Nähe zu Wien, der Mühlbach und der Wiener Neustädter Kanal machten Traiskirchen einst zum Industriestandort. Noch in den 1980er-Jahren arbeiteten Tausende in den Fabriken der Stadt. Doch Anfang der 2000er-Jahre siedelten viele Betriebe ab. Die Stadt kaufte etliche der Industrieanlagen, um sie zu transformieren, aber auch um Flächenreserven aufzubauen. Traiskirchen sollte insbesondere für Familien lebenswert und attraktiv gemacht werden.

Und so initiierte die Gemeinderätin Karin Blum das »KALO!« in der »Zwach«-Villa: Das leerstehende Wohnhaus aus den 1950er-Jahren sollte in einen Spiel-, Lern- und Erlebnisort für Kinder verwandelt werden. Obschon das große Haus mit Walmdach nicht unter Denkmalschutz steht, gingen ASAP Hoog Pitro Sammer beim Umbau umsichtig und respektvoll vor. Mit gezielten Eingriffen gestalteten die Architekt*innen Raumsequenzen für Bewegung, Forschen, Spiel, Experimente, Materialerfahrungen und Eltern-Kind-Aktivitäten. Die Elementarpädagogin Nina Panozzo unterstütze sie bei der Entwicklung des Programms. Die einfallsreiche Gestaltung animiert Kinder unterschiedlichen Alters zum Erforschen, Spielen und Entdecken. 

Foto: Tschinkersten
Foto: Tschinkersten

Die Villa ist zum öffentlichen Ort geworden, doch die Spuren der früheren Wohnnutzung sind nicht verschwunden. Die Innenräume wirken heimelig und vermitteln Geborgenheit. Gemasertes Brettsperrholz für Möbel und eigens entworfene Einbauten, ein grauer Linoleumboden aus Naturkautschuk, fröhliche Farben und viele transluzente Elemente wie Polycarbonatstegplatten und Seilnetze schaffen eine freundliche Atmosphäre. Die Details sind robust und kindertauglich, die Formen schlicht. Auch auf Umweltfreundlichkeit und ein gesundes, behagliches Raumklima wurde Wert gelegt, so ist etwa das Linoleum PVC-frei. Elemente wie eine runde Türscheibe aus Seekiefersperrholz zeigen unbändigen Gestaltungswillen und große Liebe zum Detail.

Mit wohlüberlegten gestalterischen Maßnahmen ist dem Team von ASAP eine räumlich komplexe Innenwelt gelungen, die Entdeckerdrang und Spieltrieb der Kinder beflügelt. Eine besondere Attraktion ist beispielsweise die Kletterwendeltreppe aus geflochtenen Seilen, über die Kinder vom Erdgeschoss in den ersten Stock gelangen können. Selbst der ernsteste Erwachsene sieht sich angesichts solcher Einbauten als Kind durch die Villa klettern. Das Projekt zeigt, wie kreativ sich Bestandsbauten aus der Nachkriegszeit umnutzen lassen. Wir gratulieren allen am Projekt Beteiligten herzlich.

Foto: Tschinkersten
Foto: Tschinkersten

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