Christ & Gantenbein werden die Schweizerische Nationalbibliothek sanieren

Manuel Pestalozzi
2. fevereiro 2023
Der elegante Bücherturm ist der vielleicht markanteste Bestandteil des historischen Baus der Schweizerischen Nationalbibliothek. Dereinst soll er auch für Veranstaltungen nutzbar sein. (Visualisierung: © Christ & Gantenbein)

Die Schweizerische Nationalbibliothek ist ähnlich wie auch das Nationalmuseum ein Kind des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Für das »Nation-Building« unseres Nachbarlandes mit seiner großen sprachlichen und kulturellen Vielfalt sind diese Institutionen von großer Bedeutung. Die Aufgabe der Nationalbibliothek besteht darin, Schweizer Druckerzeugnisse wie Bücher, Plakate oder Zeitschriften zu sammeln und zu ordnen. Ihre Arbeit nahm sie im Jahr 1895 auf – in einer Vierzimmerwohnung in Berns Altstadt. 1899 erfolgte der Umzug ins neu erbaute Bundesarchiv im Kirchenfeldquartier, das rechts des Flusses Aare liegt. Doch bald reichten die Räumlichkeiten nicht mehr aus, und so wurde 25 Jahre später ein Wettbewerb für ein eigenes Gebäude lanciert. Als Bauplatz diente eine Parzelle hinter dem Kirchenfeld-Gymnasium im Bildungs- und Museumsquartier Kirchenfeld. Von den Architekten wünschte man sich damals ein Gebäude mit einer dem Zweck entsprechenden Gestaltung, wobei jeglicher Luxus vermieden werden sollte – schließlich handelte es sich um einen Verwaltungsbau.

Der denkmalgeschützte Bau der Nationalbibliothek in Bern steht architektonisch für eine Schweizer Spielart der Neuen Sachlichkeit. (Visualisierung: © Christ & Gantenbein)

Siegreich aus dem Wettbewerb hervorging schließlich das Projekt der Architektengemeinschaft Alfred Oeschger (1900–1963), Emil Hostettler (1887–1972) und Josef Kaufmann (1882–1962). Ihr in den Jahren zwischen 1929 und 1931 realisierter Bau orientiert sich an der Symmetrieachse des benachbarten Gymnasiums. Er besitzt dieselbe Ausdehnung wie die Schule und fasst mit jener einen hofartigen Grünraum. Doch die Nationalbibliothek wurde sowohl konstruktiv als auch hinsichtlich ihrer gestalterischen Ausformung nach den Prinzipien der Architekturmoderne entworfen. Manche Zeitgenossen sprachen sogar von einer avantgardistischen Architektur. Heute würde man sie aufgrund der angedeuteten Bandfenster, der zurückversetzten Walmdächer und des expressiven Beton-Bücherturms wohl eher als bodenständige und solide Spielart des Bauens der Neuen Sachlichkeit bezeichnen.

Bereits seit vielen Jahren steht die Nationalbibliothek unter Denkmalschutz. Nun aber soll sie generalsaniert werden. Dazu wurde ein Studienauftrag ausgelobt. Denn die Aufgabe der Bibliothek wird künftighin nicht mehr nur in der Aufbewahrung von Schriften bestehen. Vielmehr soll das Haus zu einem modernen Kultur- und Wissensort werden, der den Austausch und die Begegnung von Menschen und Institutionen ermöglicht und einen offenen, zeitgemäßen und einfachen Zugang zu Informationen über die Schweiz bietet. Diese Vision eines »Forums« soll fortan das Programm bestimmen.

Der Bibliotheksbau der Architekten Alfred Oeschger, Emil Hostettler und Josef Kaufmann übernahm die Symmetrieachse des älteren Gymnasiums Kirchenfeld. Er fasst mit dem Schulbau einen Grünraum. (Situation: © Christ & Gantenbein)

Die Jury entschied einstimmig, der Eidgenossenschaft, vertreten durch das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL), das Projekt »NATBIB« eines Generalplanerteams unter der Leitung von Christ & Gantenbein und Drees & Sommer zur Weiterbearbeitung zu empfehlen. Die Juror*innen urteilten, den Projektverfassenden sei es überzeugend gelungen, die hohe Qualität des bestehenden Gebäudeensembles zu erhalten. 

Sicher konnten Christ & Gantenbein bei ihrem Vorschlag von den Erfahrungen profitieren, die sie bei der Sanierung des Landesmuseums in Zürich gesammelt haben. Die Basler Architekten hatten den Bau im Stil des Historismus mit einer kontrovers diskutierten Erweiterung verstehen und die alten Räume liebevoll restauriert. Doch bei der Nationalbibliothek bietet sich die Chance, das Innenleben des Bestandsbaus gemäß der Vision eines Forums neu zu denken. Zu den wesentlichen Merkmalen des Projekts gehört dementsprechend zum Beispiel die Nutzung des historischen Bücherturms als attraktiver Treffpunkt für die Besucher*innen. Zukünftig können dort auch Veranstaltungen stattfinden.

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