Raster aufbrechen: Arbeiten der Wiener Werkstätte treffen auf Entwürfe von Michael Anastassiades

Susanna Koeberle
28. 十月 2021
Die Ausstellung »Showroom Wiener Werkstätte. Ein Dialog mit Michael Anastassiades« in der MAK-Schausammlung Gegenwartskunst (Foto © Museum für angewandte Kunst, Georg Mayer)

Er fühle sich im MAK (Museum für angewandte Kunst) wie daheim, sagte Michael Anastassiades anlässlich der Präsentation seiner Ausstellung »Showroom Wiener Werkstätte«. In der Tat ist der in London tätige zypriotische Gestalter kein Fremder in Wien. Schon 2012 richtete er in der MAK-Expositur Geymüllerschlössel eine erste Schau aus. In »Time & Again« spielte er mit Spiegeln und gezielten Verfremdungen des Biedermeier-Interieurs. Dieses quasi psychologische Gefühl für den unsichtbaren Dialog zwischen Raum und Objekt zeigt sich auch jetzt in seinem Blick auf Objekte der Wiener Werkstätte. Wien kennt Anastassiades auch aus seiner Zusammenarbeit mit der bekannten Wiener Glasmanufaktur Lobmeyr, für die er schon Gläser und Leuchten entworfen hat. Der Fokus auf handwerkliche Herstellungsprozesse prägt die Arbeit des Designers stark. Kaum zufällig nennt er seine Tätigkeit eine »Praxis«, ein Wort, das man eher im künstlerischen Kontext erwarten würde. Seine Sichtweise auf Design leitet sich aus dieser Grundhaltung ab. Sie ist der Vision von Josef Hoffmann (1870–1956) oder Koloman Moser (1868–1918), den beiden Gründern der Wiener Werkstätte (1903), jedenfalls näher als ein konsumorientiertes beliebiges Produzieren von Waren, das nach kurzer Zeit nach Nachschub schreit. Als Symbol für diese Vision sehen wir in der kleinen Ausstellung, die sich in einer Galerie der MAK-Schausammlung befindet, ein Werkzeugschrank aus dieser Zeit. Er verweist auf die Ursprünge der Wiener Werkstätte: Es ging damals um die Erneuerung des Kunstbegriffs, der das Machen wieder in den Vordergrund stellte.

Dieser Werkzeugkasten ist das Herzstück der Schau. (Foto © Museum für angewandte Kunst, Georg Mayer)

Die Bezugnahme auf die Ära der Wiener Werkstätte ist auch in der Formensprache der unaufgeregten und hochwertigen Objekte zu erkennen, die Anastassiades entwirft. Seien es Leuchten ­– mit solchen begann der ursprünglich als Ingenieur ausgebildete Gestalter seine jetzige Karriere – oder auch andere Einrichtungsgegenstände. Die historischen Exponate der Ausstellung stammen aus der umfangreichen Sammlung von Ernst Ploil sowie aus der MAK-Sammlung. »Showroom Wiener Werkstätte«: In der Präsentation des Designers können Besucher*innen diese prägende Zeit der Wiener Moderne neu erleben.

Mit seiner Szenografie kreiert der Gestalter ein spielerisches und fast traumähnliches Szenario, das die wunderbaren Artefakte in ein zeitgenössisches Licht rückt. Die zwei Podeste, auf denen die Stücke präsentiert werden, balancieren gleichsam auf Messingkugeln. Das Motiv der Kugel ist ein zentrales gestalterisches Element der Wiener Werkstätte. Durch die Ausführung aus Metall kommt das Element der Spiegelung hinzu. Dieses ist auch im übertragenen Sinn als Reflexion zu verstehen. Geschickt weiß der typischerweise leise auftretende Designer mit subtilen Gesten Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Objekten herzustellen. Seine bogenförmigen Leuchten überbrücken gleichsam die Zeitspanne von rund hundert Jahren, welche die Exponate trennen.

Josef Hoffmann, Blumenkörbchen (Blumenmuster gebuckelt), 1910, Eisenblech verzinkt, weißer Emaillack, Sammlung Ernst Ploil (Foto © Museum für angewandte Kunst, Georg Mayer)

Besonders fasziniert war Michael Anastassiades von den Gitterobjekten der Wiener Werkstätte. Diese Vasen, Obstkörbe oder Tafelaufsätze aus perforiertem, weiß gestrichenem Eisenblech sind in erhöhten Vitrinen ausgestellt, welche die beiden Podeste gleichsam umrahmen. Sie betonen ihre hybride Erscheinung zwischen Gebrauchsgegenstand und Architektur. Geschickt versteht es Anastassiades, heutigen Betrachter*innen eine Idee vom etwas abstrakt klingenden Begriff des Gesamtkunstwerks zu vermitteln. Denn dieser ist im Grunde genommen ganz einfach: Den materiellen Dingen, die uns umgeben, einen gleichwertigen Status zu verleihen. Und er schafft noch etwas: Die Strenge dieser Formensprache mit einem feinen Humor zu versehen. Dieses Aufbrechen von Rastern ist durchaus erfrischend.

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