Revitalisierung Kriechere 70 – oder: Vom baufälligen Haus zum Kleinod
2012 bezogen Markus Innauer und Sven Matt mit ihrem Büro ein historisches Bregenzerwälderhaus in Bezau. Lange überlegten und planten sie, nun haben die Architekten das Bauwerk saniert.
Herr Innauer, Herr Matt, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Markus Innauer: Das Haus, in dem wir arbeiten, ist im Dorf ganz besonders verankert. Das Bregenzerwälderhaus wurde früher landwirtschaftlich genutzt, später befand sich hier jahrzehntelang das Geschäft der Fotografenfamilie Hiller. In den 1960er-Jahren wurde der Stall von dem Architekten Leopold Kaufmann zu einem Fotoatelier umgebaut. Mitte der 1990er-Jahre wurde der Fotoladen geschlossen, daraufhin stand das Haus lange leer. 2012 durften wir dann mit unserem Büro in das Atelier einziehen. Durch den langen Leerstand war jedoch vor allem das Vorderhaus sehr stark in Mitleidenschaft gezogen, deshalb haben wir nach langem Planen und Überlegen das Haus 2021 saniert und revitalisiert.
Sven Matt: Das Fotostudio ist in den letzten zehn Jahren zu unserer zweiten Heimat und zur Inspirationsquelle unserer Arbeit geworden. Während der Revitalisierung stand dessen Erhalt deshalb an erster Stelle. Das Vorderhaus ließ sich aufgrund seines schlechten Zustands leider nicht mehr sanieren. Für den Neuaufbau haben wir die Formensprache des Bestands übernommen und sie zeitgemäß weiterentwickelt. Beispielsweise knüpft die Tragstruktur der Dachgeschosserweiterung an die vorhandenen Zwillingsträger an, und das straßenseitige Schaufenster wurde für die Rückfassade weiter interpretiert.
Markus Innauer: Das Bestreben, das Haus zu revitalisieren, entsprang nicht nur unserem persönlichen Wunsch, sondern vor allem dem sozialen und kulturellen Wert, den das Gebäude aufgrund seiner langen und besonderen Geschichte innerhalb des Dorfes hat. Uns war wichtig, den Bestand dorfräumlich in Struktur und Erscheinungsbild zu bewahren und die Tradition fortzuschreiben, diese aber auch zeitgenössisch zu interpretieren.
Sven Matt: Unser Büro quoll aus allen Nähten, was eine Erweiterung ins Obergeschoss nahelegte. Hiller-Nachfahre Rudolf Berchtel wünschte sich nach langem »Exil« in Dornbirn eine Wohnung in seinem ehemaligen Zuhause. Zusammen haben wir deshalb eine Baugruppe gegründet, um die Aufgabe der Revitalisierung gemeinschaftlich zu schultern. So standen wir das ganze Projekt über im Dialog und konnten allen Bedürfnissen bestmöglich gerecht werden.
Markus Innauer: Bei der Revitalisierung waren auch Überlegungen hinsichtlich zeitgenössischer Ansprüche an Wohnraum und Nachhaltigkeit wichtig. Das Gebäudevolumen blieb unverändert, vielmehr wurde das Innere nachverdichtet. Die ursprüngliche Gliederung des Bregenzerwälderhauses in Vorderhaus, Tenne und Hinterhaus prägt weiter die Gebäudestruktur. Im Vorderhaus sind drei neue Wohneinheiten entstanden, das Atelier im Hinterhaus wurde in den Dachraum erweitert, der bislang ungenutzt geblieben war.
Revitalisierung Kriechere 70
Standort
Kriechere 70, 6870 Bezau
Nutzung
Wohnen und Arbeiten
Auftragsart
Direktvergabe
Bauherrschaft
Privat
Architektur
Innauer Matt Architekten, Bezau
Fertigstellung
2022
Fotos
Adolf Bereuter, Dornbirn