Eine Seilbahnstation mit städtebaulichem Mehrwert
HK Architekten
13. janeiro 2023
Foto: Bruno Klomfar
HK Architekten durften die neue Talstation der Nebelhornbahn im bayerischen Kur- und Wintersportort Oberstdorf gestalten. Stefan Hiebeler erklärt die architektonischen Besonderheiten der Anlage in Holzbauweise.
Herr Hiebeler, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Wir haben das Projekt im Wesentlichen in reiner Holzbauweise realisiert. Im Speziellen sticht dabei die leichte, mit einer dünnen Glashaut gedeckte Holzkonstruktion des Bahngebäudes hervor.
Ein wesentliches Merkmal der Anlage ist aber auch die harmonische städtebauliche Eingliederung der Objekte in das bestehende Ensemble der Marktgemeinde Oberstdorf am südlichsten Ende Deutschlands. Dies ist deshalb gelungen, weil die verschiedenen Funktionsbereiche auf drei in ihrer Größe verträgliche Einzelbaukörper verteilt wurden.
Foto: Bruno Klomfar
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Die alte Talstation der Pendelbahn wurde abgerissen und durch ein neues Ensemble aus einem Bahngebäude für die Umlaufseilbahn, einem Verwaltungsgebäude und dem Servicecenter ersetzt.
Da die Talstation im Ortsgebiet von Oberstdorf liegt, war uns vorrangig eine behutsame städtebauliche Eingliederung in die Umgebung wichtig. Wir wollten also die kleinteilige Bebauungsstruktur des Ortes weiterführen und nicht alle Funktionen in einem Baukörper vereinen. Die drei Hauptfunktionen wurden deshalb auf einzelne Gebäude aufgeteilt. Das Hauptgebäude ist das Bahn- beziehungsweise Stationsgebäude selbst, daran angegliedert sind das Verwaltungsgebäude und das Servicecenter. Letzteres nimmt die Kassenhalle und das Geschäft eines Sporthändlers auf. Dies ermöglichte uns, auch den vorhandenen Außenraum neu zu ordnen und einen ortsräumlichen Mehrwert zu generieren. Das Bahngebäude als zentraler Anlaufpunkt bildet jetzt in Verbindung mit dem Servicecenter und dem historischen »Trettachhäuschen« einen verkehrsbefreiten Platz und gleichzeitig den Abschluss der Fußgängerzone.
Das transparent gestaltete Stationsgebäude ist dabei die Schnittstelle zwischen dem Ortskern und dem alpinen Landschaftsraum. Es ist sozusagen das Tor zu den Bergen, das den Blick in diese frei gibt. Es ist dies ein klar gerichteter Baukörper, der die Bahntechnik frei überspannt und mit dieser nicht in Verbindung steht.
Foto: Bruno Klomfar
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?
Die Auseinandersetzung mit dem Bauherrn und dessen Wünschen ist ein wesentlicher Aspekt unserer Arbeit. Insofern ist das gebaute Ergebnis auch das Produkt einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber. Vor allem die außergewöhnliche Formensprache des Bahngebäudes wurde von Anbeginn an von allen Beteiligten mitgetragen und trotz aller Widrigkeiten in der Entwicklung energisch unterstützt.
Ein großes Problem in der Planung stellten die hohen Anforderungen hinsichtlich des Schallschutzes an die Hülle des Stationsgebäudes dar (20 dB). Diese sollte ursprünglich mit einer transparenten Membran aus ETFE (Ethylen-Tetrafluorethylen) ausgeführt werden. Mit dieser Konstruktion konnten aber die geforderten Werte nicht nachgewiesen werden. Die einzige Möglichkeit, diesem Problem Herr zu werden, ohne auf die Transparenz verzichten zu müssen, war auf eine Hülle in Glasbauweise umzuschwenken. Dies schien zunächst aus Kostengründen aussichtslos zu sein. Erst in enger Zusammenarbeit mit einer regionalen Glasbaufirma, die gebogene Verbundsicherheitsgläser selbst herstellen kann, ist es gelungen, eine finanzierbare Glashülle zu kreieren.
Das Ensemble an der Talstation der Nebelhornbahn führt die Tradition unseres Büros im Sinne der Entwicklung moderner Holzbauten fort.
Foto: Bruno Klomfar
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Wir versuchen nicht irgendwelchen Tendenzen zu folgen, sondern eigenständige Gebäude zu entwickeln. Natürlich unter den Aspekten der Nachhaltigkeit und vor allem unter Anwendung des Baustoffs Holz; Holz eingesetzt als konstruktives und gestalterisches Element.
Lärchenholz! Es wurde bei allen sichtbaren Holzoberflächen verwendet: dem Innenwandtäfer, den Deckenverkleidungen, den Fassaden und den Bögen der Bahnhalle.
Das Bahngebäude ist ein reiner Holzbau aus einer Aneinanderreihung von 39 annähernd parabelförmigen Dreigelenkbögen aus Lärchenholzleimbindern. Die gesamte Holzkonstruktion ist mit einer dünnen Glashaut bekleidet.
Die Decken in der Kassenhalle und im Sportgeschäft weisen eine offene und sehr raue Oberfläche aus Lärchenleisten unterschiedlichen Querschnitts auf. Dies dient unter anderem dazu, eine angenehme Akustik zu schaffen, aber auch um die Rauheit der Bergwelt vorwegzunehmen.
Foto: Bruno Klomfar
Talstation der Nebelhornbahn, Oberstdorf–Kleinwalsertal
Standort
Nebelhornstraße 67C, 87561 Oberstdorf, Deutschland
Nutzung
Gewerbe und Handel
Auftragsart
Geladener Wettbewerb
Bauherrschaft
Nebelhornbahn AG
Architektur
HK Architekten | Hermann Kaufmann + Partner ZT GmbH, Schwarzach
Projektleiter: DI Stefan Hiebeler
Fachplaner
Bahntechnik: Leitner Ropeways AG, Sterzing, Südtirol
Statik: merz kley partner ZT GmbH, Dornbirn
Brandschutzplanung: idl Ingenieurbüro Dieter Linka, Oberstdorf, Deutschland
Haustechnik: IBH Ingenieurbüro DI (FH) Hirdina Wolfgang, Betzigau, Deutschland
Bauphysik: DI Bernhard Weithas Büro für Bauphysik, Lauterach
Akustik: Tecum GmbH, Kempten, Deutschland
Elektroplanung: Elektro Uhlemayr, Seeg, Deutschland
Geotechnik: 3P Geotechnik ZT GmbH, Lauterach
Landschaftsplanung: Klenkhart & Partner Consulting, Absam
Ökologische Baubegleitung: Dipl.-Geograph Thomas Dietmann, Immenstadt, Deutschland
Holzbau und Innenausbau in Holz: Holzbau Fetz GmbH, Egg
Glasbau: GlasMarte GmbH, Bregenz
Schlosser: Felder Metall GmbH, Sonthofen, Deutschland
Bauleitung
Baukoordination: Architekturbüro Engstler, Sonthofen
Jahr der Fertigstellung
2021
Energiestandard
Primärenergiebedarf: Verwaltung: 83,8 kWh/(m²a), Servicecenter: 72,9 kWh/(m²a)
Heizung: Wärmepumpe
Fotos
Bruno Klomfar
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