Aus einem Guss

12. Januar 2024
Foto: Gustav Willeit
Alex, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Armin Blasbichler und Matthias Rainer haben mit dem bestehenden Firmengebäude vor zwanzig Jahren ein sehr prägnantes Bauwerk geschaffen, das allein schon statisch eine gewagte Sache war. Es wurden jedoch nur einzelne Bereiche fertig ausgebaut. Was sich außen als hartes Volumen zeigte, besaß eine Innenwelt aus zahlreichen Materialien – bisweilen etwas verspielt und gewissermaßen Ausdruck der Entstehungszeit. Das Material Beton, für das Beton Eisack ja in Innovation und Perfektion steht, konnte man dort allerdings nie vordergründig erleben.

In diesem Gebäude gehen tagtäglich Planer und Baufirmen ein und aus, die dort die Betone für ihre Bauvorhaben entwickeln lassen. Das wird in der ganzen Branche wahrgenommen. Und so hat uns Beton Eisack gefragt, wie man die Sichtbarkeit des Produkts und der eigenen Fähigkeiten in einem repräsentativen Firmensitz steigern könnte. Die Firma hat ihren Schwerpunkt in den letzten zwanzig Jahren kräftig verschoben und damit auch ein neues Selbstverständnis als Marke etabliert: Vom Dienstleister und Produzenten ist man viel stärker zum Entwickler und Innovator geworden.

Die Besonderheit der Bauaufgabe war es, dass wir die bestehende Hülle immer als gesetzt annahmen, unser Projekt also mehr als ein »Fertigbauen« begriffen haben – und dann zehn Meter über dem Boden eine repräsentative und faszinierende Arbeitswelt aus Beton in den Bestand hineingießen konnten.

Foto: Gustav Willeit
Foto: Gustav Willeit
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Beim Firmengebäude von Beton Eisack haben wir gesehen, dass wir bei der Vollendung des Vorgefundenen stark mit dem Licht, aber auch mit Reduktion arbeiten müssen. Es galt, auf einem lauten Werksgelände Räume der Ruhe zu schaffen. Formgebend war natürlich der Bestand. Die größte Inspiration aber war das zur Verfügung stehende Material aus eigener Entwicklung: der schalglatte AeroBeton® und auch der Spritzbeton, der normalerweise für Hangsicherungen verwendet wird und den wir bei diesem Projekt beispielsweise als Innenputz im Treppenhaus oder als Dacheindeckung verwendet haben.

Foto: Gustav Willeit
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Das Grundstück liegt in einem relativ engen Abschnitt des Eisacktals, im Industriegebiet zwischen der Brenner-Staatsstraße und dem Fluss Eisack, der Brenner-Bahnlinie und der Brenner-Autobahn. Vor allem aber stellte das Betonwerk selbst mit seinem Betriebslärm eine stressige Umgebung dar. Für eine dennoch hohe Aufenthaltsqualität mussten wir also einen introvertierten Entwurf anbieten, der diese Einflüsse aussperrt, ohne die Nutzer einzusperren. Wir haben mit Lichthöfen gearbeitet und mit nach oben hin offenen Terrassen. Wir haben die Raumhöhe des Bestands in Teilbereichen verdoppelt und mit so wenigen Materialien wie möglich gestaltet. Darum kann auch in dem introvertierten Raumgefüge ein starkes Repräsentationsgefühl aufkommen. Hinzu kam das Ornament in den wichtigsten drei Räumen. Einerseits war das akustisch vorteilhaft und auch um die Lüftungstechnik unsichtbar zu integrieren, andererseits steht es in Kontinuität mit unserer Tradition und Geschichte – es verleiht den Räumen eine starke Wertigkeit und trägt zur Aufenthaltsqualität bei.

Foto: Gustav Willeit
Foto: Gustav Willeit
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Entwurf und Ausführung sind natürlich auf die Firma zugeschnitten. Was wir als sehr angenehm empfunden haben, waren die Entscheidungsstärke der Bauherrschaft und ihr Faible für innovative Architektur. Sie zeigte sogar Interesse an vermeintlich unbedeutenden Details. Das Streben nach der bestmöglichen Qualität hat alle Projektbeteiligten geeint und angetrieben. Bei vielen Entscheidungen hat die Bauherrschaft Mut bewiesen und uns mitunter einen großen Vertrauensvorschuss gewährt, was die Zusammenarbeit schlussendlich erleichtert hat.

Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Ursprünglich hatten wir vor, das ganze Projekt in einem Rutsch durchzuziehen. Stattdessen haben wir es dann aber in zwei Baulose unterteilt. Während im ersten Baulos mit dem Seminarbereich gerade die bestehenden Spannbetondecken durchtrennt wurden, konnte im anderen Gebäudeteil der Bürobetrieb ganz normal weitergehen. Ebenso haben wir die flächigen Bauteil-Aufbauten in der Ausarbeitung stark optimiert, um im zehn Meter auskragenden Bürobereich Gewicht zu sparen. So mussten die Fundierung und das bestehende Stützwerk nicht verstärkt werden und der Umbau blieb auch wirtschaftlich »tragfähig«. Das Projekt selbst hat sich nie verändert.

Foto: Gustav Willeit
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Eures Büros ein?


Das Projekt ist eine konsequente Weiterentwicklung unserer Gebäude, wenn man sich die Reduziertheit und Einfachheit des Ergebnisses vor Augen führt – obwohl es ja ein äußerst komplexes Umbauprojekt war. Wir hatten nur vier Gewerke auf der Baustelle – und das bei dieser konstruktiven Komplexität. Im fertigen Gebäude leben und erleben wir den puristischen Einsatz von wenigen Materialien: Der Beton wird nur ergänzt durch Schwarzstahl und Glas.

Foto: Gustav Willeit
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Wir konzipieren jedes Projekt mit dem Anspruch, dass dem fertigen Gebäude eine Kraft innewohnt, die uns das Gefühl gibt, es erhalten zu wollen, weil wir es wertschätzen und es uns emotional berührt. Einen besonderen gestalterischen Aspekt gibt es vielleicht in dem Sinne, dass Grün seit jeher die Firmenfarbe von Beton Eisack ist. Das interessierte uns auch metaphorisch: Das Betonwerk langfristig zu transformieren … »From Grey to Green« sozusagen. Hie und da haben wir noch orangene Details eingestreut, die zweite Logofarbe der Bauherrschaft.

Foto: Gustav Willeit
Foto: Gustav Willeit
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Das ist hier ja ganz offensichtlich. Aber: Der Beton allein wäre noch lange nicht identitätsstiftend. Es kommt darauf an, wie man ihn einsetzt und verarbeitet. Eine schalglatte Oberfläche kann ganz wunderbar leben und erzählt dabei mit einer gewissen Wolkigkeit von ihrer Entstehung, vom Rhythmus, in dem das ausführende Team zusammengearbeitet hat. Dazu spannungsvolle Proportionen, das wechselnde Verhältnis zwischen Enge und Weite – der Entwurf lässt das Material in immer wieder neuem Licht erscheinen. 

Zum langfristigen Erfolg des Bauwerks werden nun das tägliche Leben und die Alterung beitragen. Das taktile Berühren und das emotionale Berührt-Werden als Teil der Aneignung und Reifung jeder handgemachten und unbehandelten Oberfläche sind wohl das Spannendste an jedem Projekt.

Schwarzplan (© Pedevilla Architects)
Grundriss 2. Obergeschoss (© Pedevilla Architects)
Grundriss 3. Obergeschoss (© Pedevilla Architects)
Längsschnitt (© Pedevilla Architects)
Bauwerk
Firmensitz Beton Eisack
 
Standort
Spitalwiese 14, 39043 Klausen, Südtirol 
 
Nutzung
Bürogebäude, Showroom und Veranstaltungsort
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
Beton Eisack Srl, Klausen
 
Architektur
Pedevilla Architects, Bruneck
Team: Alexander Pedevilla, Armin Pedevilla, Lisa Hempfer, Giorgio Larcher und Michael Rollmann
 
Fachplaner 
Tragwerksplanung: Ingenieurteam Bergmeister, Vahrn
HLS + Klimahaus: TKON, Abtei
Elektro: Ingenieurbüro Oberlechner, Rasen-Antholz
Licht: Lichtstudio Eisenkeil, Bozen
Akustik: NiRA Consulting, Brixen
Brandschutz: Studio Kontakt, Brixen
 
Fertigstellung
2022
 
Auszeichnungen
German Design Award 2024, Kategorie »Excellent Architecture«
Architecture & Design Collection Awards 2023, Platinum Winner »Showroom & Exhibit Spaces – Interior Design«
Architecture & Design Collection Awards 2023, Platinum Winner »Office Buildings – Architecture«
Archilovers Best Project 2023, Winner
Créateurs Design Awards 2024, Finalist
 
Fotos
Gustav Willeit, Corvara und Zürich

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