Baugeschichte erleben
Elias Baumgarten
25. Januar 2024
Foto: Studio Gataric Fotografie
Die Schweizer Stiftung Ferien im Baudenkmal vermietet neuerdings ein Wohnstallhaus in Bergün. Die 1520 erbaute »Chesa Viglia« zeigt, wie stark die Gegend architektonisch und kulturell vom nahen Engadin geprägt wurde.
Intakte historische Ortsbilder, traditionelle Bauernhäuser, prächtige Bürgerhäuser, aber auch Zeugen der Industrialisierung und des frühen Tourismus sowie Schlüsselwerke der modernen Architektur – in der Schweiz gibt es ein reiches baukulturelles Erbe, das es zu bewahren gilt. Einen schönen Beitrag dazu leistet die Stiftungen Ferien im Baudenkmal, die 2005 vom Schweizer Heimatschutz gegründet wurde. Im ganzen Land übernimmt sie von Verfall und Abriss bedrohte Baudenkmäler, richtet sie sorgsam her und ermöglicht Interessierten schließlich, dort ihre Ferien zu verbringen – eine wichtige Arbeit, die Baukultur unmittelbar erlebbar macht und Menschen den Wert der historischen Bauten näherbringt. Mittlerweile empfängt die Stiftung jährlich über 6000 Gäste in 55 Bauwerken – die meisten reisen aus der Schweiz an, viele aber auch aus Deutschland (9 Prozent) und weiteren Ländern.
Nun gehört auch das Bauernhaus »Chesa Viglia« in Bergün zum Angebot. Der Strickbau im historischen Ortskern wurde 1520 auf den Ruinen zweier mittelalterlicher Türme errichtet. Er ist eines der ältesten Häuser des Dorfes. Bis in die 1970er-Jahre wurde die »Chesa Viglia« von einer einheimischen Bauernfamilie bewohnt. 2006 restaurierte man die Anlage dann behutsam. Fortan diente sie als Ferienhaus, das jetzt über die Stiftung Ferien im Baudenkmal vermietet wird. So möchte die Eigentümerschaft das altehrwürdige Haus der Öffentlichkeit zugänglich machen. Bis zu sechs Personen und ein Kleinkind können in der »Chesa Viglia« übernachten.
Foto: Studio Gataric Fotografie
Foto: Studio Gataric Fotografie
Foto: Studio Gataric Fotografie
Doch was macht das Haus in dem Dorf am Fuße des Albulapasses bau- und kulturgeschichtlich so wertvoll? Konstruktion und Gestaltung entsprechen einem Engadiner Wohnstallhaus. Beim Wohnteil ist der Strickbau ummauert – zum Schutz vor Dorfbränden, zur Isolation während der harten Winter im Gebirge, aber durchaus auch zu Repräsentationszwecken. Die im Verhältnis kleinen Fenster verhindern den Wärmeverlust, und das Rundbogentor beim Eingang ist so groß, dass ein Pferd mit Wagen hindurchpasst. Über den überdachten Hausflur im Erdgeschoss, den sogenannten Sulér, gelangte man zur rückwärtig integrierten Stallscheune. Stall und Heuboden waren nach Süden ausgerichtet, damit das Heu gut trocknen konnte. Luftschlitze in der Fassade sorgten zudem für eine gute Durchlüftung.
Die »Chesa Viglia« gibt einen guten Eindruck davon, wie die Bergbauern vom Mittelalter an lebten. Die Bauform zeigt beispielhaft, wie sehr das nahe Engadin Bergün architektonisch und auch kulturell prägte. In dem Haus ist die Geschichte der Region eingeschrieben.
Foto: Studio Gataric Fotografie
Foto: Studio Gataric Fotografie
Foto: Studio Gataric Fotografie
Die »Chesa Viglia« ist ganzjährig geöffnet. Die Gäste können sich im Winter auf eine sechs Kilometer lange Schlittenbahn und ein Skigebiet mit tollen Pisten freuen. Im Sommer locken zahllose Wanderwege. Und auch wer es weniger sportlich mag und lieber kulturelle Entdeckungen macht, wird auf seine Kosten kommen: Sehenswert ist etwa das 1905/06 erbaute Kurhaus Bergün. Weit über die Schweiz hinaus bekannt ist die spektakuläre Albulabahn, das Herzstück des Unesco-Welterbes Rhätische Bahn. Ihre roten Züge durchfahren Kehrtunnels und schlängeln sich über turmhohe Viadukte.