Ein Baudenkmal wird zum Museum

Manuel Pestalozzi
10. März 2022
Erst die Besucher*innen lassen die stattlichen Dimensionen der Villa erkennen. (Foto: Thomas Ledl via Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

 

Die Villa Beer in Wien ist ein Gesamtkunstwerk von großer baugeschichtlicher Bedeutung. Das Ehepaar Julius und Margarethe Beer durfte sich an seinem Gebäude allerdings nicht lange erfreuen: Schon 1932 musste es die Villa vermieten. Die Beers waren Gummifabrikanten und hatten sich finanziell erheblich übernommen. Als ihre Not noch größer wurde, musste die Villa sogar versteigert werden. Später nahm das Schicksal für sie eine noch weitaus schlimmere Wendung: Sie mussten sich aus Österreich in Sicherheit bringen, ihre Tochter wurde von den Nationalsozialisten ermordet. Die neuen Besitzer indes erkannten rasch den architektonischen Wert des Bauwerks, das heute als eines der Hauptwerke der Wiener Moderne gilt, und es gelang ihnen sogar, das originale Mobiliar aus dem Wiener Auktionshaus Dorotheum auszulösen und ins Haus zurückzubringen. 

Das Haus überstand den Zweiten Weltkrieg unbeschadet. Auch in der Zeit der Hochkonjunktur musste es wie auch der dichte Park rundherum keinem anderen Projekt weichen – aus architekturhistorischer Sicht eine überaus glückliche Fügung. Zuletzt aber stand es 15 Jahre lang leer. 2021 erwarb es Lothar Trierenberg, Mitbegründer des Wiener Einrichtungshauses das möbel. Seither hat die Villa eine eigene Website erhalten und kann auf Voranmeldung besichtigt werden. Trierenberg sieht sich in der Rolle des Retters: »Da alle Versuche, die Villa Beer von Seiten der öffentlichen Hand als Hausmuseum entstehen zu lassen, gescheitert sind, war die Gefahr sehr groß, dass sie als privates Mehrfamilienhaus mehr oder weniger zerstört werden könnte und vor allem nicht öffentlich zugänglich gemacht würde«, sagte er jüngst dem ORF.

 

Der Originalzustand der Villa ist sehr gut dokumentiert, wie dieses Foto von Julius Scherb aus der Entstehungszeit zeigt. (Foto: Julius Scherb © MAK Museum für angewandte Kunst)
Aus der Villa wird ein Museum. Doch was ist dabei zu berücksichtigen?

Trierenberg will die Villa zu einem Museum machen, in dem man nach Möglichkeit auch länger verweilen und eventuell sogar übernachten kann. Im nächsten Jahr sollen Sanierungsarbeiten beginnen. Die Österreichische Gesellschaft für Architektur (ÖGFA) und DOCOMOMO Austria nutzten die Vorbereitungsphase zur Veranstaltung eines Symposiums, an dem die nun anstehende Sanierung vor dem Hintergrund des selbst auferlegten Vermittlungsauftrags diskutiert wurde. Welche Mittel sollen dabei angewendet werden? Wie begegnet etwa ein sogenannter »umgekehrter Entwurfsprozess«, der von der Analyse zur Erhaltung und Sichtbarmachung des Vorhandenen fortschreitet, den bautechnischen Herausforderungen und aktuellen Nutzungsansprüchen? 

Zu den internationalen Gästen gehörte der Schweizer Architekt Arthur Rüegg. Er hat sich mit dem Bewahren des Erbes der klassischen Moderne einen Namen gemacht. Rüegg empfahl beim Umgang mit denkmalwürdigen Bauten ein Abwägen: Einerseits seien die ursprüngliche Bauidee und das Material zu respektieren, denn sie seien Teil der Geschichte und »originale Zeugen«. Andererseits müssten Bedürfnisse nach modernisierter Infrastruktur und energetischer Adaptierung sowie baupolizeiliche Auflagen selbstverständlich berücksichtigt werden. Lothar Trierenberg erinnerte daran, dass die Grundstruktur der Villa und viele Details zwar noch gut erhalten sind, vieles aber trotzdem noch erforscht werden muss. Bevor konkrete Maßnahmen ergriffen werden, müsse der Bestand eingehend untersucht werden, was nun geschehe.

Thomas Will, Professor für Denkmalpflege in Dresden, machte sich indes Gedanken über die Musealisierung des Wohnambientes. Dabei müsse man sich überlegen, wie sehr die Villa Zeugin der Vergangenheit sein solle und wie sich das mit einer heutigen kulturellen Nutzung vereinbaren lasse. Widersprüche seien voraussehbar, vor allem beim Umgang mit der großbürgerlichen Wohnkultur, welche die Villa repräsentiert und die heute weniger als Vorbild dienen kann. Maria Welzig vom Architekturzentrum Wien kam auf das Schicksal der Bauherrschaft und der beiden Architekten zu sprechen. Allesamt emigrierten sie, wie bereits angedeutet, zwischen 1934 und 1940. Die beeinträchtigte Tochter der Beers wurde in einem Vernichtungslager ermordet. Welzig ist der Auffassung, dass auch diese Tragödie im Museum thematisiert werden muss.

Es bleibt nun abzuwarten, welche Folgen diese Stellungnahmen für die Zukunft der Villa Beer haben. Auf jeden Fall ist sehr erfreulich, dass sich kompetente und auch mit den nötigen Ressourcen ausgestattete Menschen für das Haus engagieren.

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