Konstruierte Erinnerung

In Prag haben Mitte Mai die Bauarbeiten an einem Einfamilienhaus von Adolf Loos begonnen. Die Idee zu dem ungewöhnlichen Projekt entwickelten das Museum der Stadt Prag und das Technische Nationalmuseum, neben dem sich der Bauplatz befindet, anlässlich des 150. Geburtstags der Architektur-Ikone. Loos hatte das knallgrüne Bauwerk mit Flachdach im Jahr 1932 für den Industriellen František Müller entworfen, der es seiner Tochter Eva zum 18. Geburtstag schenken wollte. Doch der Holzbau, dessen Details dazumal Architekturstudenten konstruierten, kam nie über die Planungsphase hinaus. Loos hatte für František Müller übrigens 1930 bereits die bekannte Villa Müller gebaut, die im Jahr 2000 saniert wurde. Sie wird seither als Museum genutzt.

Adolf Loos, ein Vorreiter der Moderne in der Architektur, hatte das Häuschen als besonders sparsame Unterkunft konzipiert und war damit seiner Zeit durchaus voraus. Die Innenräume sollten dennoch die für seine Architektur typische räumliche Komplexität bieten: Die Raumhöhen unterscheiden sich je nach Funktion, diverse Ebenen und Treppen prägen das Innere. Allerdings dürfte das Gestaltungsprinzip in dem kleinen Bau längst nicht so stark zu spüren sein, wie in anderen Loos-Häusern. Doch warum, fragt man sich, wird das Haus 90 Jahre nach Loos’ Tod noch realisiert? 

Karel Ksandr, der Direktor des Technischen Nationalmuseums, sagt, das Häuschen sei ein Musterbeispiel für Loos’ Architektur. Vielleicht sucht man in Prag mit dem Bau auch Halt in einer Zeit, in der die Architektur und die ganze Bauwirtschaft durch die Klimakrise und die Ressourcenknappheit zu tiefgreifenden und zügigen Veränderungen gezwungen sind. – Ein Haus als konstruierte Erinnerung. Jedenfalls wird der Entwurf aus den 1930er-Jahren gewiss auch deswegen realisiert, weil er für eine bestimmte Zeit steht. Das Haus wird so gesehen zum Deko-Objekt. Was Adolf Loos wohl darüber denken würde?