Welche Möglichkeiten bietet das Vorhandene?

Manuel Pestalozzi
21. September 2023
Alte Teile wurden bei dem Vorzeigeprojekt nicht nur aufgefrischt und weiterverwendet, sondern zuweilen auch kreativ einer neuen Nutzung zugeführt. So waren etwa die Stahlelemente der Pergola vormals Teil eines Depots für Einkaufswagen. (Foto: © Theodor Stalder, Zürich)

Der Primarschule Manegg in Zürich-Wollishofen fehlt es an Platz – und eine Erweiterung der Anlage aus den 1930er-Jahren ist nicht ohne weiteres möglich. Auch die Suche nach neuen Räumlichkeiten in der Umgebung erwies sich als verzwickte Aufgabe. So konnten leer stehende Büros nicht für die Kinderbetreuung umgenutzt werden, weil die Eigentümer Klagen aufgrund des zu erwartenden Lärms befürchteten. Die Lösung: der Werkhof der Stadt Zürich an der Mööslistraße. Aus den Mietwohnungen im Obergeschoss wurde ein Kindergarten mit Mittagstisch.

Aus Sicht der Stadt bot sich die besondere Bauaufgabe für ein Pilotprojekt an: Beim Umbau sollte die Wiederverwendung von Bauteilen getestet werden. Die Gestaltung wurde dem Zürcher Büro Bischof Föhn Architekten anvertraut. Der etwas knapp erscheinende Objektkredit von 1,9 Millionen Franken wurde eingehalten – trotz des verglichen mit einem Standardprojekt hohen Aufwands, der für die Verwirklichung betrieben wurde.

In den Kindergartenzimmern finden sich wiederverwendete Stahlträger. Weil die Stahlherstellung viel Energie erfordert, ist der Einspareffekt bei ihnen besonders groß. (Foto: © Theodor Stalder, Zürich)

Die Zielsetzung war einfach und ist schnell erklärt: Im Innen- und Außenraum sollten möglichst viele gebrauchte Teile Verwendung finden. Insbesondere sollte Vorhandenes aus den einstigen Wohnräumen genutzt werden. Und so wurden zum Beispiel Lavabos und Toiletten vorsichtig ausgebaut und aufgefrischt. Das Mobiliar und die Geräte im neuen Kindergarten stammen zudem zu großen Teilen aus Lagerbeständen von Immobilien Stadt Zürich. 

Unterstützung kam von der Basler Firma Zirkular, die baubüro in situ angegliedert ist. Das Fachplanungsbüro ist auf das Bauen im Kreislauf spezialisiert. Sein Team suchte nach Bauteilen aus rückgebauten Immobilien, die für den neuen Kindergarten passen könnten. Durch diese so mühsame wie wichtige Arbeit habe der Katalog an wiederverwendbaren Elementen wesentlich erweitert werden können, resümiert das Amt für Hochbauten. Konkret wurden beispielsweise die alten Brandschutztüren aus dem Schulhaus Lavater 1:1 übernommen. Teils wurden gebrauchte Bauteile aber auch kreativ umgenutzt: Unter der neuen Stahlpergola des Kindergartens waren einst die Einkaufswagen eines Großverteilers abgestellt. Die Struktur dient nun im Erdgeschoss als Rankhilfe für Pflanzen und zur Befestigung von Sonnenschutzsegeln. 

Der Waschbereich im Betreuungsraum wurde mit gebrauchten Lavabos ausgestattet. (Foto: © Theodor Stalder, Zürich)

Insgesamt konnten durch die Maßnahmen verglichen mit einem gewöhnlichen Umbau mit neuen Elementen rund 30 Prozent der Treibhausgasemissionen eingespart werden. Während die Materialkosten durch den Re-Use sanken und die Umweltbilanz gut ausfällt, stieg allerdings der Aufwand für die Planung. Das liegt daran, dass aufgrund der Verfügbarkeit von Einzelteilen flexible Anpassungen am Projekt nötig waren. Des Weiteren fehlt es noch an einer effizienten Infrastruktur für das zirkuläre Bauen mit großen Materialkatalogen und Bauteillagern. Doch der Einsatz hat sich im Sinne einer zukunftsfähigen Baukultur gelohnt. Und durch das Bauwerk kommen nun bereits Kinder im Vorschulalter mit einer umweltfreundlichen, ressourcenschonenden und verantwortungsvollen Bauweise in Kontakt. Auch das ist ein Gewinn.

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