»Hollein Calling« – neue Blickwinkel auf eine Ikone

Elias Baumgarten
15. September 2023
Das Kerzengeschäft Retti am Kohlmarkt 8–10 in Wien zählt zu Hans Holleins berühmtesten und besten Bauten. 1966 wurde ihm für das nur 14 Quadratmeter große Ladenlokal der Reynolds Memorial Award verliehen. (Modellfoto: © Architekturzentrum Wien, Sammlung)

Hans Hollein (1934–2014) ist eine Ikone der österreichischen Architektur. Heute gilt der Avantgardist der 1960er-Jahre, Österreichs bisher einziger Pritzker-Preisträger, als ein Pionier der postmodernen Architektur. Seine Gestaltungen, das famose Kerzengeschäft Retti (1965) etwa, das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main (1991) oder das Haas-Haus in Wien (1990), machten ihn weltbekannt – genau wie sein Slogan »Alles ist Architektur«. Hollein war ein wahres Universaltalent, er betätigte sich als Architekt, Designer, Bildhauer und Objektkünstler. Geprägt wurde die Architektur des Schülers von Clemens Holzmeister (1886–1983) durch seine Begeisterung für die Vereinigten Staaten und seine Faszination für Raumschiffe und Raumanzüge, die er mit so vielen seiner Zeitgenossen teilte. Hollein interessierte sich für autarke Minimalräume, wie etwa sein mobiles Büro, ein aufblasbares Gehäuse, zeigt. Zudem schuf er vielbeachtete Collagen, auf denen technische Objekte in der Landschaft zu sehen sind. 

Doch welche Bedeutung hat Holleins Werk für junge Architekt*innen, die heute den europäischen Architekturdiskurs mitprägen? Dieser spannenden Fragen geht das Architekturzentrum Wien (Az W) mit der neuen Schau »Hollein Calling« nach, die ab dem 21. September zu sehen ist. Auf diese Weise soll das Werk des Meisters neu bewertet werden.

Almannai Fischer Architekten: Studierendenwohnheim, Weimar, Deutschland, 2017–2025, Wettbewerbsentwurf (Visualisierung: © Almannai Fischer Architekten)
Monadnock: Oosterling Büro- und Wohnhaus, Groningen, Niederlande, 2016, Wettbewerbsentwurf (Collage: © Monadnock)

Gezeigt werden im Az W Projekte Holleins wie das besagte Kerzengeschäft Retti und das ebenso kleine Juweliergeschäft Schullin, aber auch Schulbauten und Museen aus der Feder des Wieners – alles in allem 15 Schlüsselprojekte. Präsentiert werden diese anhand von Skizzen, Modellen, Prototypen und Dokumenten aus dem »Archiv Hans Hollein, Az W und MAK, Wien«, dessen große Sammlung seit Jahren vom Team des Az W aufgearbeitet wird. Viele der Ausstellungsstücke waren noch nie öffentlich zu sehen – das allein schon befeuert die Vorfreude und Neugier auf die Schau.

Gegenübergestellt werden diese Arbeiten Projekten von Almannai Fischer Architekt:innen (München), baukuh (Mailand), Bovenbouw Architectuur (Antwerpen), Claudia Cavallar (Wien), Aslı Çiçek (Brüssel), Conen Sigl Architekt:innen (Zürich), doorzon interieur architecten (Gent), Expanded Design (Wien), Martin Feiersinger (Wien), David Kohn Architects (London), Kühn Malvezzi (Berlin), Lütjens Padmanabhan Architekt:innen (Zürich), Manthey Kula (Oslo), Monadnock (Rotterdam) und OFFICE Kersten Geers David Van Severen (Brüssel).

Vorab fällt angesichts dieser Liste bereits auf, dass einige Büros wohl ausgewählt wurden, weil sich aus ihren Entwürfen ganz offensichtliche Bezüge zu Hollein ableiten lassen. Bei anderen dürfte es hingegen eher indirekte Gemeinsamkeit geben. Und bei wieder anderen sind Widersprüche zu Holleins Positionen zu erwarten. Spannend wird, inwiefern es mit den Mitteln einer Architekturausstellung gelingt, mehr als formale Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten und auf die Ebene der Haltung vorzudringen. Interessant könnte auch sein, welche Parallelen sich zwischen dem Diskurs der 1960er- und 1970er-Jahre und jenem von heute zeigen. Schließlich lassen sich Projekte wie das erwähnte mobile Büro Holleins im Zusammenhang mit einem bereits dazumal aufkommenden Bewusstsein für die Zerstörung der Umwelt lesen. Eines jedenfalls ist gewiss: »Hollein Calling« weckt schon vor der Vernissage am 20. September große Erwartungen.

Conen Sigl Architekt:innen: Teatrino, Zeichnung erstellt für die Ausstellung »Still, a matter of Art«, f’ar – Forum d’architectures, Lausanne, Schweiz, 2018 (Zeichnung: © Conen Sigl Architekt:innen)
Lütjens Padmanabhan Architekt*innen: Residenz des Schweizer Botschafters in Algier, Algerien, 2017–2023 (Modellfoto: © Lütjens Padmanabhan Architekt*innen)

»Hollein Calling« wird kuratiert von Lorenzo De Chiffre, Benni Eder und Theresa Krenn. Zu der Ausstellung erscheint eine gleichnamige Publikation beim Schweizer Verlagshaus Park Books. Sie kann bereits bestellt werden. Die Schau im Az W wird bis zum 12. Februar 2024 laufen.

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