Sloweniens zeitlose Architektur

Ulf Meyer
14. Juli 2023
Zentralfriedhof Žale, Ljubljana, 1938–1944 (Foto: © Damjan Prelovšek)

Dass Jože Plečnik (1872–1957) als einer der bekanntesten Architekten Mitteleuropas zur Zeit der Moderne in die Architekturgeschichte eingegangen ist, verdankt er zu einem guten Teil einem Österreicher: Erst eine von Boris Podrecca kuratierte Ausstellung im Centre Pompidou in Paris hat Plečnik 1986 als epochalen Erneuerer der Architektur und als »Retter des Reichtums der Tradition vor der technologischen Einseitigkeit der Moderne« kanonisiert. Eben diese Formulierung steht einer neuerlichen Ausstellung über den slowenischen Meisterarchitekten voran, die derzeit in Wien zu sehen ist. Im Rahmen der Reihe »Architektur im Ringturm« wird Plečniks reiches Werk mit der Schau »Entdeckungsreise – Plečnik und seine zeitlose Formensprache« neu entdeckt. Im Fokus stehen dabei Plečniks bekannte Arbeiten in seinem Heimatland. Doch auch Bauten, die bisher nur Expert*innen ein Begriff waren, werden gezeigt.

Nationalbibliothek, Ljubljana, 1936–1941 (Foto: © Damjan Prelovšek)
Industrie- und Handelskammer, Ljubljana, 1925–1927 (Foto: © Damjan Prelovšek)

In der Geschichte Sloweniens ist Plečnik der wohl einflussreichste Architekt: Als Absolvent der Wagner-Schule in Wien ging er zunächst für zehn Jahren als Lehrer an die Kunstgewerbeschule nach Prag, bevor er in seine Heimat zurückkehrte. Sein Aufenthalt in der Stadt an der Moldau beeinflusste ihn nachhaltig. 

In der Zwischenkriegszeit, dem »goldene Zeitalter der Stadtplanung von Laibach« wie die Wiener Ausstellungsmacher jene Phase nennen, boten sich Plečnik viele Möglichkeiten. Der Anbau zu seinem Haus bei der Kirche von Trnovo war der Schlüssel, denn durch ihn wurde der Orden der Franziskaner auf den Architekten aufmerksam. Als dieser dann eine neue Kirche in Šiška, einem Vorort von Laibach, bauen wollte, beauftragten er Plečnik. Es folgten viele katholische Bauherren: Mit Unterstützung der Jesuiten baute Plečnik Kirchen in Belgrad und Zagreb. Für die Ursulinen realisierte er ein Gymnasium in Laibach. Und für die Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul gestaltete er die Kapelle im Schloss von Begunje. 

Kirche St. Michael im Laibacher Moor, Ljubljana-Barje, 1925–1939 (Foto: © Damjan Prelovšek)
Pavillon Jožamurka, Begunje, 1937–1939 (Foto: © Damjan Prelovšek)
Gruft der Familie Žagar, Rakek, 1930–1932 (Foto: © Damjan Prelovšek)

In Ljubljana, der Hauptstadt seines Heimatlandes, folgte schon bald ein Bauauftrag dem nächsten – erst einer für die Böschungen des Flusses Ljubljanica, dann für die Stadtburg und anschließend für das Universitätszentrum in Tivoli. Es folgten die Universitätsbibliothek, der Južni trg, der St. Christoph-Friedhof, die Totenkapellen im Friedhof Žale, das Magistratsgebäude am Marktplatz, der Napoleon- und der Kongressplatz, die Ringstraße, der Bahnhof und schließlich eine Sanierung von Mauerfragmenten aus der Römerzeit. In Ljubljana bewies Plečnik sein Händchen für die treffsichere Auswahl der passenden Bäume zu seinen Bauwerken: Trauerweiden für den Spazierweg an der Ljubljanica in Trnovo, Pappeln für die Gestaltung des Kirchplatzes St. Jakob und Birken und Ahornen für die Vegova ulica. Um das städtische Baubudget indes nicht zu strapazieren, verwendete er statt Basalt für die Gehsteig-Pflasterung einfachen Beton. 

Parallel widmete sich der Architekt der baukünstlerischen Ausstattung Laibachs mit Obelisken, Pyramiden, Brunnen, Balustraden und Arkaden. Auch an Bauten in der Provinz wie der Christi-Himmelfahrts-Kirche von Bogojina und der Volkssparkasse in Celje arbeitete er. 

Blick in die Ausstellung (Foto: © Architektur im Ringturm)

Als Laibach Plečnik nach Kriegsende keine Aufträge mehr bot, widmete er sich der Ausstattung von Kirchen auf dem Land. Um die hohen Baupreise zu kompensieren, ersetzte er einfallsreich edle Materialien. Die neue Regierung Jugoslawiens verlieh ihm den Prešeren-Preis und eine Auszeichnung für sein Lebenswerk. Als eindrucksvolles Spätwerk entwarf Plečnik das Denkmal für den Befreiungskampf in Selca bei Škofja Loka (1950), bevor er sieben Jahre später verstarb. 

Die Wiener Ausstellung zeigt Plečniks beste Werke nicht nur mit Plänen, Fotos und Modellen, vielmehr ist anlässlich der Schau auch ein schöner Katalog erschienen. In diesem wirft Kurator Adolph Stiller zusammen mit weiteren Expert*innen ein neues Licht auf Jože Plečnik. Der Ergebnis gefällt. Vielleicht ist es sogar ähnlich wirkungsmächtig wie einst Podreccas Schau über den slowenischen Architekten.

Die Ausstellung »Entdeckungsreise – Plečnik und seine zeitlose Formensprache« ist noch bis zum 15. September dieses Jahres im Ringturm (Schottenring 30, 1010 Wien) zu sehen. Die Öffnungszeiten sind montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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